Jahrmarkt in Baracoa

Sa 27.3. verschieben wir uns von Santiago nach Baracoa. Wir verabschieden uns von den Gastgebern, Bettlern und Schleppern, Taxichauffeuren und der Kellnerin im Casa Granda, nach 4 Tagen kennt man uns bereits, es hat wohl nicht viele Touristen hier.

Die 250 km sind bezüglich Strassen total erholsam, landschaftlich fast durchgehend wunderschön. Die letzten 30 km führen durch Regenwald über die Passstrasse La Farola, über 300 Kurven, aber für meine Begriffe wenige Höhenmeter und breiter als Susten oder Klausen. Unterwgs kaufen wir Früchte, Kakaokugeln und ausgezeichnete Schokolade, in Reiheli in Alufolie verpackt. Dass wir nicht einmal in der Cafeteria (so beschriftet!) auf der Passhöhe einen Kaffee bekommen, ist zu verschmerzen.

Baracoa gefällt mir. Zwar ist der Lärmpegel auch hier eher hoch, ich höre aber kaum Autos, sondern Hühner und Hähne, Singvögel und Schweinchen. Vor allem aber höre ich diskutierende, Gemüse anpreisende, bis 4 morgens vor unserer Haustür Domino spielende, auch schimpfende Menschen. Das gabs alles auch in Santiago, nur wurde es dort übertönt.

Auch die Unterkunft ist OK. Zum Glück ist es nicht die reservierte direkt am Malecón gelegene, sondern eine Casa in der Stadt; hier haben wir eine ganze Etage für uns und obendrauf eine wunderbar luftige Terrasse. Vor allem aber ist der Malecón besetzt durch den Jahrmarkt mit Pizzabuden, monströsen Lautsprecherboxen unmittelbar neben der ursprünglich geplanten Casa – und vielen Bahnen, von der Schifflischaukel über Karrusselle, eine kleines Riesenrad bis zur wilden Maus. Alles viel einfacher als bei uns, aus Armiereisen und Profilstahl zusammengeschweisst, Elektromotor mit Kettenantrieb hier- und Transmissionsriemen dorthin, handbedientem Umlenkhebel zur Feinsteuerung, da und dort Pedale in die die Kinder selber treten – fertig ist das Vergnügen, und Zuschauen ist fast genau so schön.

Denny, der Hausherr, ist kein begnadeter Koch, geht dafür gern auf Diskussionen ein. Er ist 25, Ing. und arbeitet als Medizintechniker im 320-Bettenspital von Baracoa. Er hat auch schon in Venezuela gearbeitet, kann also ein bisschen vergleichen (Armut, Kriminalität, Gesundheitsversorgung). Wenn er von seinem Wunsch nach mehr Freiheit redet, meint er nicht politische sondern ökonomische Lockerungen. Die fixen (!) Lizenzkosten von 280 CUC/Monat für seine 2 Zimmer, die er für 20 – 25 CUC pro Nacht vermietet, findet (nicht nur) er unfair; so trägt er ein hohes Risiko, erst bei einer Auslastung von 50% beginnt es fuer ihn zu rentieren! Und was ich immer wieder höre (und immer noch nicht glaube): Das US-Embargo ist die Wurzel allen Übels.

Was ich hier oft als übel empfinde, ist der Zentralismus bzw. die fehlende lokale Entscheidungsgewalt. Denny wollte uns „sein“ Spital zeigen, krebste dann auf Weisung von weit oben kleinlaut zurück. Beim Bloggen habe ich 1 Std. versaut wegen gestörter Leitungen, da war nach ungezählten Telefonaten und tagelangen Abklärungen niemand in der Lage zu entscheiden ob ich nun was ersetzt kriege. Eine falsche Offerte für die Villa Maguana kann nur mit dem OK der Gaviota-Zentrale bereinigt werden. Etc etc.

Wenn wir das cubanische Gesundheitswesen nicht an Hand eines realen Spitals kennen lernen dürfen, nutzen wir halt andere Möglichkeiten. In der Apotheke kaufen wir ein Mittel gegen Schlafstörungen (hilft Antoinette tatsächlich, wenn auch nur 2 mal). Marianne geht zum Arzt, weil sie seit Tagen kaum mehr hört, und kommt nach längerer interessanter Sitzung mit Ohrentropfen zurück, die gemäss Beschrieb für Augenprobleme bestimmt sind (und auch den Ohren nur temporär helfen). Und vom Apothekenbesuch bringen die Frauen einen Sirup gegen meinen Reizhusten, der aus Lebertran mit Aromen tropischer Früchte besteht und bei Rachitis und Osteoporose indiziert sei (mich aber wunderbarerweise wieder durchschlafen lässt).