Lächeln, Lebensfreude und Gegensätze

Nie wirkt ihr Lächeln aufgesetzt, aber kann ich es wirklich deuten? Ihre Lebensfreude wirkt echt, aber kann ich ihr Empfinden wirklich fühlen? Ihre Gastfreundschaft ist herzlich und herzerwärmend, das glaube ich zu spüren! Wir sind willkommen hier – auch von Menschen, die für uns die eher unangenehmen Arbeiten erledigen. Sie sind froh darum, einen Job zu haben. Ihre Lebensfreude zeigt sich in der Freude an bunten Farben, sei es bei den Longhis, in denen sich die Frauen immer sehr würdevoll und elegant bewegen …oder in den bunten Plastikstühlen, die in Restaurants ihre Teakholzmöbel ersetzen.
Die tiefe Frömmigkeit kommt in der grossen Verehrung Buddhas zum Ausdruck, dann etwa, wenn sie ihre Statuen mit vielen bunten, blinkenden Elektrolämpchen schmücken oder immer bereit sind, Geld auszugeben für Blumen, die sie Buddha schenken. Auf allen Märkten sehen wir viele Blumen, aber nie würden sie damit einfach ihr Haus schmücken, sie gehören Buddha, dessen Statuen überall zu sehen sind. Schöpfen sie Kraft aus ihrer „Religion“, die ja offenbar keine ist? Ja, auch das glaube ich zu spüren! Kraft und damit auch Gelassenheit, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Das beeindruckt mich tief.
Doch die Gegensätze lassen mich heute nicht schlafen. Wir sind im Ayarvaddy River View Hotel in Mandalay. Ein – für Schweizer Verhältnisse etwa Dreisternhotel, also nicht Luxusklasse – und doch ist es das, wenn ich anfange zu vergleichen. Ja, wir sehen den Fluss. Vor dem Haus ist eine tagsüber stark befahrene Strasse (nachts ist es vollkommen ruhig, wie überall, wo wir bisher waren!), dann kommt eine Reihe schöner Bäume. Wenn wir auf der Hotelterrasse stehen, ist der Blick frei auf den Fluss, wunderschön und die Stimmung bei Sonnenuntergang einfach traumhaft – aber wenn wir den Streifen zwischen Bäumen und Fluss sehen, dann werden uns die Gegensätze sehr schmerzlich bewusst. Dort leben sie. In ihren einfachen Hütten, der Fluss gibt ihnen, was sie zum Überleben brauchen. Sie waschen sich und ihre Wäsche, putzen die Zähne, Waschen ihre wunderschönen, langen, schwarzen Haare – der besondere Stolz der Frauen hier! – die hygienischen Verhältnisse sind entsprechend. Die Kindersterblichkeit ist hoch. Zum Glück habe ich viele Petflaschen mit gereinigtem Trinkwasser gesehen.
In unserem Hotelzimmer hätten leicht zwei Familien Platz, Wasser haben wir mehr als genug … und mit dem, was wir für diese Ferien ausgeben, könnten etwa 20 Menschen hier ein Jahr lang – nicht gerade leben – aber immerhin überleben. Dank recht effizienter Agrarwirtschaft – überall sehen wir riesige Felder mit Gemüse, Korn usw! – ist Hunger hier offenbar kein grosses Thema, zum Glück! Man kommt halt auch nicht ums Nachdenken herum auf einer solchen Reise – und doch bin ich sehr dankbar und froh, dass ich diese Erfahrung machen darf! Jedenfalls lerne ich jeden Tag viel, auch für mein ganz persönliches Leben.