Anspruchsvoll

Dienstag/Mittwoch, 24./25. Mai 2011:

Am Dienstag sind Gloria und Silvia angekommen. Ziemlich pünktlich, erstaunlich frisch und – abgesehen von Silvias Klimaanlagen-bedingter Erkältung – gesund. Das Empfangskomitee: Antoinette, Marianne, Theres, Ruth, ich – und Tania Haag, Partnerin eines (von vielen) früheren alumnos von Gloria. Nach kurzem Will- kommenstrunk führen Ruth, ich und die SBB die cubanitas nach Sirnach. Impro- visiertes Nachtessen, weil Silvia auf ihrem ersten längeren Flug (20 Jahre nach ihrem bisher einzigen Flug überhaupt, einem Inlandhüpfer) so gut wie gar nichts gegessen hat. Dass das beim Zwischenhalt in Madrid gekaufte Wässerchen volle zwei Euro kostete, hat sie so geschockt, dass sie wohl auch zu wenig getrunken hat. Es gibt viel zu reden, was angesichts des Sprachendreiecks Spanisch-Englisch-Deutsch auf Dauer ziemlich anstrengt. Silvia findet in unserem Kater Moritz rasch würdigen Ersatz für ihre arg vermisste Pretty; Moritz hat allerdings bald genug von der Nähe und beisst Silvia kurzerhand in den kleinen Finger.

Am Mittwoch fahren wir nach Konstanz und besteigen dort das Schiff nach Stein am Rhein. Gloria und Silvia besitzen je eine Digitalkamera und beweisen ganz schnell, dass sie unser Land mit ganz unterschiedlichen Augen wahrnehmen: Natürlich müssen wir immer mal wieder posieren, zu zweit oder zu dritt. Dann muss aber auch das Mittagessen auf dem Schiff für Fotos herhalten, die gusseisernen Dolendeckel in Stein am Rhein, Blumenschmuck, der Käseladen (am Donnerstag dann auch der Sirnacher Coop mit all seinen Regalen), Schaufenster, unser Sonnendörrer undundund, die üblichen Touristenmotive sind kaum der Rede wert. Silvia braucht etwas Nachhilfeunterricht, weil ihre Kamera brandneu ist, aber auch sie knipst bis die Akkus leer sind; Reserveakkus hat sie –  allerdings in Sirnach. Stein am Rhein bietet allen vieren Neues, vor allem das Museum im ehemaligen Kloster St.Georg begeistert auch die Schweizer, als Dessert bietet uns der Organist auf der grossen Kirchenorgel ein Konzert. Ist zwar nur eine Probe, aber ziemlich konzertant und phänomenal. Beide sammeln, von der Gratiszeitung über Hygienebeutel aus dem öffentlichen WC, Prospekte bis zu Zucker, der zum Kaffee nicht im traditionellen Säckli, sondern in einem Röhrli angeboten wird. Gloria beweist einen überaus harten Kopf (nicht zum letzten Mal): Sie hat Jorge einen Brief geschrieben und muss den unbedingt heute noch aufgeben, hat aber weder Briefmarken noch ein Couvert. Mit der Briefmarke klappts, auf der Post schenken sie ihr sogar ein Couvert, aber nicht im von ihr gewünschten Format (schmal und lang), so verschickt Gloria doch keine Briefe! Was bleibt mir übrig: Ich kaufe in Winterthur schmal-lange Couverts. Auch die Sache mit der Telefonkarte ist ziemlich harthölzern: Gloria will am Kiosk in Stein a/Rhein eine Telefonkarte kaufen und damit z.B. in die USA telefonieren. Dass sie die bei uns zu Hause nicht braucht bzw. gar nicht brauchen kann, interessiert sie nicht. Weil wir vor der Zugsabfahrt noch etwas Zeit haben, versucht sies erst einmal in der öffentlichen Kabine, was prompt nicht funktioniert.