Plaudern ist wichtiger als Berge und Seen

Samstag, 28. Mai, ist Tessin angesagt. Ohne mich, weil ich in Fischingen zwei Klosterführungen absolviere. Darum auch hier der Beitrag von Ruth:

Gloria hat sich offensichtlich schon in Kuba gut vorbereitet. Jedenfalls wusste sie, dass der Tessin zu den „perlas suizas“ zählt. Ja, und die Perlen der Schweiz will sie gesehen haben –so ist am Samstag el Ticino angesagt. Dass wir den frühen Zug erreichen, ist nur meiner energischen Führung zu verdanken. Von Zürich nach Bellinzona sitzen wir – die beiden völlig fasziniert – im Speisewagen und trinken – einmal mehr! – viel zu teuren Kaffee. Als ich ihnen ein Croissant offeriere, finden sie das die reinste Verschwendung, geniessen es aber dennoch.

Ja, und dann bin ich ganz schweizerische Reiseleiterin, fahren wir doch eine der nach meiner Meinung schönsten Bahnstrecken. Ich bin begeistert von Seen, Bergen später, sogar frisch verschneit! Doch die Beiden wollen vor allem Eines: Plaudern! Ununterbrochen plaudern! Wie ein Wasserfall ist das für mich. Spa- nisch-/Englischgemisch – Übersetzen dann und wann – aber weil es ja ein Wör- terwasserfall ist, kann ich manches einfach als „Hintergrundmusik“ betrachten und muss nicht alles verstehen.

Wie würden die beiden auf das luxuriöse Angebot in Locarno reagieren? Ich war gespannt darauf – doch einmal mehr überraschen mich die beiden. Sie scheinen ganz und gar nicht beeindruckt. Gloria erklärt mir, dass ihr schöne Kleider über- haupt nicht wichtig seien. Sie ziehe es vor, viel zu sehen und zu erleben. Doch auch sie hat andere Vorstellungen von Sehen und Erleben, als ich mir gedacht hatte. Jedenfalls sah ich in Locarno Dinge, die mir persönlich nie und nimmer aufgefallen wären. Laufen macht beiden Mühe, nur zeigt es Gloria nicht. Silvia erklärt mir nach einer Viertelstunde Bummeln, dass sie halt in Cuba nie soooooo lange laufen müsse … Ich suche ein schönes Plätzchen fürs Mittagessen und finde in einer der malerischen Gassen einen wunderschönen Ort und – sehr wichtig! – das Essen ist gut und günstig! Silvia und ich trinken ein Bier, und weil wir draussen essen, geniesst Silvia ihre Zigaretten. Wir verschieben unsere Rück- reise um eine Stunde, damit wir wenigstens noch einen sehr kurzen Spaziergang am See machen können. Auch auf der Rückreise ist Plaudern angesagt.

Abends ist Champions League Final, alles in allem ein ruhiger Tag für mich. Auch der Sonntag verläuft (für mich) eher beschaulich: Messe in Fischingen ohne mich, Blueschtfährtli zurück nach Sirnach mit Ursula und Peter Rottmeier. Gegen 12 holt Theres G+S ab und führt sie zu Antonia, wo sie ausgiebig und schnell Spanisch reden können, und am Abend zurück nach Wil, wo wir gemeinsam ein Konzert hören.

Silvia kämpft regelmässig gegen ihre Kamera-Batterien, die nicht sehr lange halten. Zwar hat sie Reservebatterien, die müsste sie aber jeweils mit einpacken, zuhause nützen sie wenig. Ohnehin scheinen mir Ordnung und Planung nicht gerade ihre Stärken (gilt für beide). Ihr Zimmer ist ein Chaos, logisch dass beide immer mal wieder etwas suchen. Und einen Tages- oder nur schon Halbtages- plan kann ich noch so klar kommunizieren – ohne mehr oder weniger sanftes Antreiben würden wir jeden Zug verpassen.